Land unter am vergangenen Wochen im Jugendtreff "Haus am See" in Wiebelskirchen

Rheinischer Präses besucht die vom Hochwasser betroffene Region Neunkirchen

Das Hochwasser an den Flüssen im Saarland hat auch den
Landkreis Neunkirchen hart getroffen. In Wiebelskirchen wurde
der Jugendtreff „Haus am See“ der Diakonie Saar geflutet. 1,50
Meter hoch stand das Wasser im Gebäude. Dr. Thorsten Latzel,
Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, reiste eigens ins
Saarland, um sich mit Verantwortlichen von Kirche und Diakonie
sowie den lokalen politischen Akteuren ein Bild der Lage zu
machen. Neunkirchen. Der erste Eindruck, den man wahrnimmt, wenn
man das Gebäude betritt, ist der Geruch. Es riecht modrig.
Trocken ist der honigfarben geflieste Boden inzwischen, wenn
auch etwas staubig vom Schlamm. Im hinteren Bereich stapeln
sich Kisten mit Dingen, die noch aussortiert werden müssen.
Malereien und Graffiti machen deutlich: hier trafen sich bisher
junge Leute. In einer Ecke stehen zwei Tischkicker, die das
Wasser überstanden haben. Vorne im Thekenbereich ist alles
leer, die gemütliche Einrichtung musste entsorgt werden. Die erst
vor kurzem eingebaute Küche ist nicht mehr zu gebrauchen. „Die
Kraft des Wassers hat einen Küchenblock einfach aus der Wand
gerissen“, sagt Simone Schranz, als Bereichsleiterin der Diakonie
Saar für den Jugendtreff zuständig. Sie war über das
Wochenende vor Ort, auf Fotos sieht man sie in Gummistiefeln
und Arbeitskleidung kräftig mit anpacken.
Aus Düsseldorf ist Präses Thorsten Latzel, leitender Geistlicher
der Evangelischen Kirche im Rheinland angereist, um sich vor
Ort ein Bild der Lage zu machen. Die Gummistiefel kann er im
Kofferraum lassen. Das Wasser hat sich inzwischen wieder
zurückgezogen, weitere Überschwemmungen sind ausgeblieben.
Normalzustand bedeutet das aber nicht. Derzeit liege der
Schwerpunkt auf den Aufräumarbeiten, berichtet Neunkirchens
Oberbürgermeister Jörg Aumann. Doch immer noch warteten
zahlreiche Keller darauf, ausgepumpt zu werden. Erst nach und nach kann aus Sicherheitsgründen in der Kreisstadt sowie den Stadtteilen
Wiebelskirchen und Hangard der Strom wieder angestellt werden. Im Jugendtreff
brennt eine Lampe, die angeschlossene Skaterhalle ist noch ohne Strom.
Gute laufende Zusammenarbeit zwischen kirchlichen und kommunalen Stellen
In Wiebelskirchen selbst war der komplette Ortskern vom Hochwasser betroffen. Hier
ist auch der Jugendtreff. In aller Eile habe man noch am Freitag, als das Wasser
stieg, ein Notquartier für die Evakuierten in der örtlichen Schillerschule eingerichtet“,
sagt Ortsvorsteher Tobias Wolfanger. Er ist seit Tagen im Dauereinsatz, hat neben
der Notunterkunft auch beispielsweise die Sperrmüllentsorgung gemanagt. Davon
hat auch der Jugendtreff profitiert. Drei Container wurden von Firmen ehrenamtlich
auf dem Vorplatz abgestellt und gefüllt wieder abgeholt, ohne dass sich die Diakonie
darum kümmern musste.
Für Wolfanger war es eine Selbstverständlichkeit zu unterstützen. „Das ‚Haus am
See‘ ist wirklich Gold wert für den Ort, es wäre extrem wichtig, dass es schnell
wiederaufgebaut wird“, betont er. Auch ansonsten lobt der Ortsvorsteher die gute
Zusammenarbeit mit Einsatzkräften, Firmen und eben auch der Diakonie, die in
Wiebelskirchen ihren Stammsitz hat. „Die Erstberatung über die Hotline der Diakonie
haben wir dankbar angenommen“, sagt Wolfanger. Derzeit seien bereits
Infoveranstaltungen in Planung, bei denen Mitarbeitende des evangelischen
Wohlfahrtsverbands Fragen beantworten werden, wo welche Hilfen und
Unterstützung zu bekommen sein werden.
Und da ist die Frage der Perspektive: In Wiebelskirchen bestehe die große Hoffnung,
dass der Jugendtreff renoviert und wiedereingerichtet werden könne, so Wolfanger.
Das wäre auch der große Wunsch der Diakonie Saar.
Präses verspricht Unterstützung – Erfahrungen aus dem Ahrtal einbringen –
Seelsorge wichtig
Präses Dr. Latzel zeigte sich beeindruckt und kündigte alle Unterstützung an, die von
Seiten der Evangelischen Kirche gegeben werden könne. 2021 hatte die
Flutkatastrophe im Ahrtal und der Eifel große Teile der rheinischen Landeskirche in
Mitleidenschaft gezogen.
„Die Erfahrungen, die wird leider im Ahrtal sammeln mussten, bringen wir gerne ein“,
so Latzel. Das betreffe einmal die Vermittlung an die Diakonie Katastrophenhilfe, um
über diese an finanzielle und praktische Unterstützung zu kommen. Es müsse etwa
Treffpunkte geben, wo die Menschen zusammenkommen könnten. Nachsorge,
Begegnung, Betreuung, Seelsorge sind für die Menschen wichtig, auch das habe
man im Ahrtal gelernt. Deshalb ist sich Latzel sicher: „Es braucht Orte wie das ‚Haus
am See‘ um Menschen zusammenzubringen“.
Zum anderen aber, das ist dem Präses besonders wichtig, sei die Kernkompetenz
der Kirche Seelsorge, insbesondere die nachgehende Seelsorge für Menschen, die
vor allem nach der Katastrophe in einen psychischen Ausnahmezustand geraten,
wenn sich die Erlebnisse gesetzt haben und sie realisieren, „dass das Zuhause einfach weg ist“. Im Ahrtal habe die Kirche sehr positive Erfahrungen gemacht mit Aufsuchender Arbeit, damit auch die Leute erreicht werden, die nicht von sich aus kommen können oder wollen, aber gern diese Angebote annehmen. Gebete,
Gottesdienste und Zuwendung könnten allen Beteiligten Trost spenden. Die
Anwesenden dankten Präses Latzel für den Zuspruch und die Unterstützung.
Wie zutreffend die Worte des Präses sind, zeigt sich in Wiebelskirchen. Es kommt zu einer zufälligen Begegnung mit einer Anwohnerin. Latzel spricht sie an. Immer noch sichtlich bewegt, erzählt die Frau vom Freitagabend, als die Flut kam, zeigt Fotos auf dem Handy. „Um Viertel nach Neun bin ich nur noch kurz in meine Wohnung, um Hund und Katze rauszuholen. Etwas später wären sie nicht mehr zu retten gewesen“, sagt sie. So schnell das Wasser kam, zog es sich über das Wochenende wieder zurück.
Zurück bleiben die bangen Erinnerungen – und viel, viel Sperrmüll.